Ausstellungen
»Gefingert« (Solo 2018) von Renate Hampke mit ihren Holzzeichnungen und Objekten; Foto: Jürgen Baumann
»Gefingert« (Solo 2018) von Renate Hampke mit ihren Holzzeichnungen und Objekten; Foto: Jürgen Baumann
Renate Hampke: Gefingert – Nackte Frottagen
- Januar – 24. Februar 2018 (Straßen-Salon)
Renate Hampkes nunmehr 3. Einzelausstellung in der Galerie konzentriert sich auf das zeichnerische Werk der Künstlerin – mit einer Tendenz zum Malerischen. Zuweilen waren schon einige ihrer Holzzeichnungen in der Galerie in anderen Kontexten zu sehen wie z. B. 2014 bei der Ausstellung »Lieber Künstler, zeichne mir – Part I: Abstraktion, Konkretion, Notation und Struktur« (vgl. Katalog) oder letztes Jahr in der Ausstellung »Penetrating Paper«. Die Konzentration auf das zeichnerische Werk, hier immer im Zusammenhang mit dem Bildträger Holz, zeigt uns eine Bandbreite ihrer jüngsten Atelierproduktion.
In der Werkgruppe »Nackte Frottage« zeichnet sie vorwiegend Graphit in die Holzoberfläche des zumeist Pappelsperrholzes ein. Dabei legt die Künstlerin die Schründe und Verletzungen der Oberfläche, oder auch die Passkanten der obersten Furnierschicht, die Schauseite sozusagen, frei (vgl. Katalog Renate Hampke, Schlauchobjekte und Holzzeichnungen, herausgegeben 2017 von Semjon Contemporary mit einem Essay von Jan Maruhn, S. 16, 20, 21 und 25). Die Künstlerin vergegenwärtigt somit das bisherige Leben der Sperrholzplatte bzw. des Rohstoffs Holz und verwandelt die profane unscheinbar wirkende Sperrholzplatte in ein Bild eigenen Lebens und eigener Berechtigung. Man könnte auch sagen: Sie kehrt das Innere nach außen. Natürlich lässt sich die Künstlerin durch die vorgegebene Holzoberfläche inspirieren und verstärkt durch zusätzliche Schraffuren die dem Holz ‚geschuldete‘ Bildidee, oder lässt eine Furnierkante zur Horizontlinie werden. Die Werkgruppe »Nackte Frottage« erhält eine weitere eigene Variation durch die eingesetzte Zeichenkohle anstelle von Graphit. Diese Werke sind wesentlich dichter im Schwarzanteil und zugleich gröber in ihrer Struktur, weil der Zeichenkohleblock nicht so feinteilig die kleinsten Poren und Narben trifft, sondern eher darüber gleitet. Renate Hampke nutzt auch ausrangierte Zeichenbretter, die sie mit der Zeichenkohle in direkte Konfrontation bringt und zu einem Wandobjekt zusammenfügt (vgl. in der Ausstellung »Nackte Frottage 5/2017«). Hierbei baut die Künstlerin bewusst ein ironisches Moment ein, denn die Zeichenbretter dienen eigentlich als Halte- und Untergrund für Zeichenpapiere, als Arbeitshilfe zum Zeichnen auf Papier. Sie dreht selbstbewusst den Spieß um und bearbeitet eben die Zeichenhilfe mit dem Zeichenmaterial!
Mit »Ode aus Japan« von 2015 (Kat. S. 17) schlägt sie eine Brücke zu ihrem bildhauerischen Werk, weil sie ein Zeichenbrett, das tiefschwarz mit Zeichenkohle bearbeitet ist, mit ihren inzwischen als klassisch zu bezeichnenden Materialien wie Fahrradschlauch und Seife mit anderen Fundstücken kombiniert. Mit dem Ausstellungstitel (und auch Werktitel) »Gefingert« gibt die Künstlerin die Ausrichtung des Werks bereits an. In der Tat ist das Werkzeug ihr eigener Körper, genauer gesagt ihre Fingerkuppe, mit deren Hilfe sie Kohle auf die Holzoberfläche aufträgt. Der Gestaltungswille ist bei »Gefingert« von grundsätzlicher Bedeutung, auch wenn in dem Geschehen des Fingertanzes auf dem Holz auch der Zufall eine Rolle spielen mag (S. 18,19, 22 und 23). Renate Hampke baut mit Hilfe dieser Technik ein besonderes Verhältnis zwischen dem Werkmaterial Holz und der Zeichenkohle auf, das wir als Außenstehende nur erahnen können.
Aus diesen ‚Fingerzeichnungen‘ hat sich eine weitere Gruppe entwickelt, mit der Renate Hampke ganz am Anfang steht: Die »Goldfinger«-Arbeiten. Statt Kohle wird eine Goldfarbe auf schwarz eingefärbte MdF-Platten aufgetragen. Je nach Lichtsituation oder Sonnenstand, leuchtet das Gold über schwarzen Grund, mal wie Weißgold, mal feurig rot.
In ihrer Kabinetthängung im Straßen-Salon der Galerie integriert die Künstlerin neue Objekte. Zum einen reckt sich in der vertikal ausgerichteten Nische »Knotenturm« in die Höhe und die kleine Quernische beherbergt zwei Schlauchknoten auf kleinen mit Graphit bezeichneten Sockeln. Diese finden ihr Pendant in Objekten in Kombination mit schwarzen Schleifscheiben, platziert auf Pappelholzsockeln, die ein zusätzliches narrativ-abstraktes Moment darstellen.
Die Bodenarbeit »Sukzessive Hälften« (S. 11) von 2015 ergänzt als Veteran ihrer bisherigen Schlauchobjekte/-skulpturen die Neuproduktionen und verklammert sie zusammen mit »Ode aus Japan« mit ihrem bisherigen Werk.
Semjon H. N. Semjon
Januar 2018