Ausstellungsansicht von »Trialog« (temporäres Gesamtkunstwerk von Colin Ardley, Dittmar Dinner aka Krüger und Dirk Rathke, 2014; Foto: Semjon
Ausstellungsansicht von »Trialog« (temporäres Gesamtkunstwerk von Colin Ardley, Dittmar Dinner aka Krüger und Dirk Rathke, 2014; Foto: Semjon
Trialog: Colin Ardley, Dittmar Krüger und Dirk Rathke
Ausstellung vom 13.12.2013 – 18.1.2014
Prolog: Noch vor wenigen Tagen hätte niemand garantieren können, dass eine solch dia-logische Ausstellung von drei Künstlern in einem relativ kleinen Ausstellungsraum funktionieren könnte – jenseits der üblichen und allgegenwärtigen klassischen Galeriehängung in einem White Cube. Meine Erfahrung in der Zusammenarbeit mit diesen drei Künstlern hat mich zu diesem Experiment ermutigt, aber auch das Wissen, dass sich alle drei relativ gut kennen, und vor allem, gegenseitig schätzen. Die gemeinsame Erfahrung im zurückliegenden Sommer in Erfurt, als sie an der Jubiläumsausstellung im Forum Konkrete Kunst teilnahmen und unter meiner Leitung beim begleitenden Kolloquium ein Künstlergespräch führten (das inzwischen vom Forum publiziert wurde und in der Galerie ausliegt), hat die drei Künstler ein wenig mehr zusammenschweißen lassen. Das war auch der Moment, der mich dazu bewog, den Worten Taten folgen zu lassen. Wir einigten uns darauf, dass Dirk Rathke ein Wandbild entwerfen und realisieren würde, das die Grundlage der Interaktion mit den eigenen Werken bilden würde. Colin Ardley und Dittmar Krüger stimmten schon dem ersten Entwurf zu.
Silber schimmernd zerschneidet in zackigen Auf- und Abwärtsbewegungen Dirk Rathkes Wandmalerei den White Cube des Galerieraums. Der Eindruck eines imaginären Luftraums mit eigenwillig kubistisch geformten Metallwolken mag hervorgerufen werden, aber auch das Bild vom gigantischen Schließmechanismus aus einem Science-Fiction-Film mit einem präzis und scharfkantig aus Metall gefrästen hydraulischen Verschlusssystem kommt in den Sinn. Jeden Moment könnte es sich durch Heben und Senken der Kompartimente schließen. Es lässt sich nicht definieren, ob die silbergrauen Flächen vor oder hinter dem Weiß der Wände liegen, ob sie positive oder negative Formen beschreiben.
Diese eigenwillige Wandmalerei diente als Grundlage für das Inszenieren der unterschiedlichen Kunstwerke der drei Künstler. Colins Wandobjekte haben eine vom Künstler fest definierte Sichthöhe und geben von vorneherein eine Hängehöhe vor. Diese Vorgabe bedeutet eine weitere Einschränkung und zugleich Herausforderung in der freien Bespielung des Ausstellungsraumes. So liegt es auch nahe, dass Colin Ardley den ersten Hängeakt mit seinem betont horizontalen und somit am weitesten in den Raum greifenden Wandobjekt Tropical Drift wagt. Daraufhin reagiert Dittmar Krüger mit der Setzung seiner – man könnte fast sagen – spiegelt der Künstler mit seiner größten der hier gezeigten kubischen Wandarbeiten O. T. (4/2011) Colin Ardleys Werk. Trotz ihrer Größe nimmt sie sich zurück durch ein zentrales dezentes Silber und verweist zugleich auf den Kontext der Wandmalerei. Das satte Orange an den flankierenden Innenwänden der grau gefassten Wandbox ist beim Eintreten in den Raum kaum wahrnehmbar. Beim Durchschreiten des Raumes hingegen gewinnt es an Kraft und strahlt in den Raum hinein. Den Kontrapunkt dazu und gleichzeitig den Auftakt der Leserichtung im Raum angebend, hängt Dirk Rathke die blaue dreiteilige Curved Canvas O. T. (# 679) auf. Der augenfällige rechte Winkel, durch die sich angrenzenden zusammengefügten Leinwände bedingt, scheint dem energetischen Schwung der Wandmalerei eine Erdung, einen Ausgangspunkt zu geben. Nun geht es Schlag auf Schlag. Ein Miteinander und Gegeneinander der Formen und Farben der unterschiedlichen Kunstwerke folgt. Die beiden zusammengehörenden Wandobjekte Decoy und Rise von Colin Ardley folgen der Aufwärtsbewegung einer silbernen Wandflächenform, einem Eisberg gleich. Dieses Miteinander, wie ein Zwiegespräch zu verstehen, fordert die beiden anderen Künstler geradezu heraus, mit ihren eigenen Werken zu antworten. Das Agieren und Reagieren ist einem Schachspiel gleich, allerdings mit drei Akteuren. Zug um Zug. Kein Schachmatt. Den ‚Schlussstein’ der Raumkomposition bilden nicht nur im sprichwörtlichen Sinne Dirk Rathkes großes gelbe zweiteilige Werk O. T. (# 678), in luftiger Höhe gehängt, und das kleine darunter positionierte schwarz-orangene Wandobjekt O. T. (4/2013) von Dittmar Krüger. Sie beenden zugleich die Leserichtung des Raumes und geben den Blick frei auf die kleine linke Eingangswand, die das zarte Wandobjekt The Thin Red Line / Skimming von Colin Ardley unter einer Plexiglashaube birgt. Allen drei beteiligten Künstlern und auch mir ist sofort klar gewesen, dass die Rauminstallation abgeschlossen, vollendet ist.
Das Experiment ist gelungen und ein temporäres, wohl ponderiertes und spannungsreiches Gesamtkunstwerk aller drei beteiligten Künstler ist entstanden. Diese Dreier-Konstellation ist keine Selbstverständlichkeit. Dialogische Korrespondenzausstellungen sind durchaus üblich im Galeriebetrieb, das Agieren von drei gleichberechtigten Partnern hingegen ist eine diffizile Angelegenheit, nicht nur im psychologischen Sinne, vor allem dann, wenn keine Person von außen, z. B. ein Kurator oder Mediator, das letzte Wort hat. Der gegenseitige Respekt und die Wertschätzung untereinander haben dazu geführt, dass sich jeder ein wenig zurücknahm und keine Konkurrenzspannungen entstehen ließ. Es entstand somit eine Einheit trotz Differenz.
Semjon H. N. Semjon Dezember 2013