Fokus Garten-Salon: Thomas Prochnow – Installation
19.6. – 1.8.2015

Thomas Prochnow ist für die Galerie kein Unbekannter mehr. Die bis dato noch lose Zusammenarbeit hatte bereits im Spätherbst 2013 begonnen, als ich ihn für die Teilnahme an der zweiteiligen Zeichnungsausstellung »Lieber Künstler, zeichne mir!« gewinnen konnte. Das Arbeitsverhältnis hatte sich verdichtet, weil ich ihn als einer der wenigen Künstler an beiden Ausstellungen teilnehmen ließ. Seit Februar 2015, noch vor der Eröffnung seiner – man könnte inzwischen sagen legendären – Ausstellung »EDIT« im Kunstverein Gera, ist die Zusammenarbeit nun festgeschrieben.
Jetzt folgt seine erste Einzelpräsentation »Fokus Garten-Salon«, die seiner größeren Einzelausstellung im Herbst vorausgeht. Drei künstlerische Werkgruppen stellt der Künstler hier vor, obwohl physisch nur zwei Gattungen zu sehen sind. Wie kann das sein? Die allem zu Grunde liegende Werkgruppe ist hier nicht zu sehen, nur als eine inszenierte Fotografie zu erleben. Der Künstler, ursprünglich aus der Graffitiszene in der östlich geprägten Nachwendezeit kommend – Thomas Prochnow ist 1978 in Gera/ Thüringen geboren und dort aufgewachsen – hat sehr früh schon begonnen, intelligente und formal minimalistische tags/pieces an und in verlassenen Architekturen anzubringen. Klassisches Graffiti erschöpfte sich für Prochnow schnell, er begab sich auf die Suche nach einer Art geometrischen Dekonstruktion der Buchstaben. Schnell entwickelte sich bei ihm die Erkenntnis, dass die allübliche Dokumentation der eigenen Werke in diesen Kreisen als Trophäenbeweis, ihn zu seinem eigenem künstlerischen Medium, der Fotografie, führen würde. Thomas Prochnow hat in den letzten 8 Jahren sehr viele solcher verlassener Architekturen aufgesucht und diese Besuche genutzt, um sich einzufühlen in die Räumlichkeiten und im Rahmen dieser Findungsphasen stringente Zeichen zu entwerfen, die entweder im Kontrast zum Raum oder ihn ergänzend, ein stimmiges und spannungsvolles Bild ergeben würden.

Bevor eine Arbeit entsteht, bereitet der Künstler im Atelier seine künstlerischen Interventionen vor, arbeitet mit seinen Dokumentationen der Raumstrukturen um dann festzulegen, welche Form, welche Zeichen in welcher Farbe an welche Wand verbracht wird. Ihn reizt der Kontrast zu dem rauen, mit allerlei Lebensspuren versehenen verlassenen Räumen mit der Präzision der gesetzten Zeichen, was oftmals einer Quadratur des Kreises nahekommt, wenn der (Wand-)Grund extrem rau und unregelmäßig ist, oder die farbliche Originalfassung des Raumes im Abblättern begriffen ist. Es kam schon vor, dass die Architektur nicht mehr existent oder deren weiterer Zerfall seine Pläne durchkreuzte. Für all diese unkalkulierbaren Verhinderungsgründe ist dennoch eine ansehnliche Anzahl an räumlichen Interventionen entstanden. Der Künstler benennt diese verlassenen Orte oder die unwirtlichen Funktionsarchitekturen wie Autobahnbrücken inmitten oder am Rande der Stadt oder auch unvermittelt in der Natur als Zweiter Öffentlicher Raum. Eine treffende Bezeichnung für diese Orte. Was sich durch das zweite und nun hier sichtbare Medium, die künstlerische Fotografie, zeigt, ist das Ergebnis eines vielschichtigen und zeitintensiven Vorgangs seiner ortsspezifischen künstlerischen Eingriffe.

Der bewusst inszenierte Blick auf seine künstlerische Intervention inmitten eines Ortes, dessen Architektur er überzeugend als festgelegten Ausschnitt in sein fotografisches Bild komponiert, lässt uns teilhaben an seinen pionierhaften und eremitenartigen Eroberungsfeldzügen und uns erfreuen an der Schönheit der verfallenden Architektur, die in uns in der Erfahrung und Erinnerung die individuelle Romantik-Sehnsucht in der Ruinenarchitektur suggeriert – hier allerdings im Konzept des wohl gesetzten, präzisen Prochnowschen Zeichens. Das im Fokus Garten-Salon gezeigte Werk aus der Serie geometric_c/black_c_BZ1 ist in einem Außenraum, an einem Betonpfeiler einer Autobahnbrücke inmitten eines bewaldeten Naturraums entstanden. Wir können uns nicht die Dimension des dort aufgetragenen schwarzen, präzise in seinem Umrisslinien definierten Kreises, vorstellen. Das steile Gefälle hingegen lässt uns schaudern. Der Kontrast vom statischen, aber rauen Beton mit der Präzision des schwarzen Kreises und das wohltuende differenzierte Grün des umgebenden Laubwalds auf der linken Bildseite schaffen eine stringente Komposition.

Das dritte Medium, die Installation in der Galerie, bezieht sich nun wieder auf die Fotografie, d.h. letztendlich auf die erste Ebene, die Intervention im Zweiten Öffentlichen Raum. Prochnow hat eine große abgewinkelte Wand über einen LGrundriss schräg in den Garten-Salon aufgestellt. Diese selbstbewusste Handlung lässt mich an seine Raumintervention im Kunstverein Gera im vergangenen Februar denken, die den Hauptraum der Ausstellungsräume mit dem malerischen Erker und Butzenscheiben durch eine kühne Geste der Raumverstellung durch einen großen, gar die rechte Wand scheinbar durchstoßenden raumhohen blauen Riegel für den Besucher blockiert. Der schwarze Kreis seiner eben genannten Fotografie wird großformatig aufgenommen und weist über die mehr als 250 cm hohen Wände hinaus, wird vom Galerie-Schaulager herkommend (die vorgegebene Richtung zur Erschließung aller Räume) zu einer großen schwarzen Fläche, einem saugend schwarzen Loch gleich. Und hier, im Garten-Salon angekommen, befinden wir uns in einer weiteren intelligenten und ästhetisch faszinierenden Raumsituation. Das dominante, zuerst als ein Allover erscheinende Schwarz wird begrenzt – und formuliert so einen riesigen Kreis im Anschnitt – durch die grauen und grünen Restwandflächen. Bei der Drehung zum ursprünglich rückwärtigen Straßen-Salon wird man nun der beiden Fotografien gewahr, die, in verschiedenen Größen als C-Print auf Aludibond kaschiert und mit einem weißen Rahmen gefasst, sich, durch die Teppenwangenarchitektur bedingt, im rechten Winkel zueinander begegnen. Es ist eine Inszenierung, die die Dynamik und zugleich statische Ruhe innerhalb der Fotografien, aber auch zugleich in der Raumskulptur vortrefflich doppelt.

Prochnow wäre nicht Prochnow, wenn er nicht bereits all die Dimensionen seiner Fokus-Ausstellung in der Einladungkarte subsummiert hätte: Diese stellt als Bild bereits eine Synthese der vorgestellten Fotografie und des interventionistischen Raumobjekts da. Thomas Prochnows ‚Händchen’ für Räume haben sich in unser kurzen Zusammenarbeit bereits mehrmals bestätigt. Der Künstler schafft es immer wieder, Besonderheiten des vorgefundenen Raumes, einem Projektraum, einer Galerie, einer Garage und demnächst gar die kreisrunde und riesige ehemalige Kohlenwäsche (einem Bunker oder Silo gleich) der Zeche/Zollverein Essen herauszuarbeiten und mit dieser künstlerisch zu spielen und den Raum auf eine ganz eigene Weise neu erlebbar zu machen.

Semjon H. N. Semjon
28.6.2015

  • Facebook
  • Instagram
  • Artsy
  • artatberlin
  • Artland