2020 – Lunapark Transylvania

2020 – Lunapark Transylvania

Gil Shachar – Lunapark Transylvania 22. August – 10. Oktober 2020 Der Titel weist schon in eine mögliche assoziative Richtung, die zu denken hier nicht uner- wünscht ist: Der Begriff Lunapark steht wohl für jeden für einen Amusement- und Them- enpark, wie er heute...

Gil Shachar – Dead Flat
24.4. – 26.5.2018

In seiner aktuellen Ausstellung Dead Flat zeigt uns Gil Shachar zwei phänotypisch vollkommen unterschiedliche Werkgruppen, die jedoch auf dem gleichen Herstellungsprinzip der Abformung eines realen ‚Objektes‘ basieren. Zum einen ist es die Büstenskulptur Eli, die durch die Abformung des Kopfes, Halses und den Ansatz des oberen Rumpfes von dem Modell, hier einem Jungen mit dem Namen Eli, entstanden ist, und zum anderen sind es die zumeist unbetitelten Wandobjekte, die Abformungen von Papiermodellen in Epoxidharz sind und zur Büstenskulptur ein Gegenüber bilden. Die zweite Werkgruppe variiert in der Bearbeitung und auch in der bildlichen und skulpturalen Erscheinung: Es sind entweder gezeichnete Schattenbilder oder zumeist monochrom gefasste minimalistische Werke, die bei beiden Werkreihen mitunter durch vom Künstler geschaffene Risse in ihrer ‚papiernen‘ Oberfläche aufgebrochen, perforiert sind.

Eli, obwohl als Büstenskulptur ohne Sockel nur 36 x 33 x 17 cm messend – sie ist also eine 1:1-Abbildung nach dem Modell –, zieht den Betrachter sofort in den Bann. Der dargestellte Junge, vermutlich zwischen 10 und 12 Jahre alt, ist in sich selbst versunken mit geschlossenen Augen, einem Hauptmerkmal aller Büsten- und Kopfskulpturen Shachars. Die physische Präsenz ist augenscheinlich, trotz der Zartheit und Verletzlichkeit, die u.a. durch die geschlossenen Augen verstärkt wird. Seine Physis kennzeichnet den Übergang vom Jungen zum jungen Mann. Die Präsenz der Büste, die in der Darstellung nicht den direkten Kontakt zum Betrachter sucht – denn die Augen sind geschlossen –, verlangt vom Betrachter, sich zu ihr zu verhalten, allein schon dadurch, das sie in den Raum gestellt ist und damit ein körperliches Gegenüber zum Betrachter bildet. Die geschlossenen Augen hingegen verunsichern den Betrachter, fühlt er sich doch ertappt, die Stille und das Alleinsein mit sich selbst zu stören. Der Betrachter könnte zum Voyeur werden, was gemischte Gefühle auslöst. Wettgemacht wird dies durch die Neugier, wie denn diese naturgetreu erscheinende Skulptur geschaffen ist. Die Neugier siegt, und mit Verblüffung stellt man fest, dass z.B. die Haare der Augenbrauen und des Schädels minutiös aufgemalt sind, wobei das Farbmaterial die Darstellung des einzelnen Haares plastisch auch leicht hervorheben lässt, weil es ‚aufliegt‘.

Eli gegenüber spannt sich eine große gelbe Mondsichel über die Wand, die sie in der horizontalen Ausdehnung fast vollkommen einnimmt und einen Schutzmantel suggerieren oder eine Sehnsucht versinnbildlichen könnte. Die Versunkenheit des Jungen kann den Blick nach Innen meinen als Metapher für das Fenster zur Unendlichkeit. Die Analogie zwischen den Sichelformen der geschlossenen Augenlider und der Mondsichel ist sicherlich nicht unbeabsichtigt vom Künstler.

Die Mondsichel – das bisher größte Werk einer Abformung von zerknittertem Papier, das zuvor in die beabsichtigte Form gebracht wurde – ist auf der einen Hälfte in Weiß und auf der anderen in einem stumpfen Gelb gehalten. Erst die Oberfläche der tausend Knicke schafft eine skulpturale Oberfläche, die zugleich die einfache Grundform durch die Vielzahl minimaler Schattenwürfe belebt. Übrigens ist dies bildlich gesprochen eine schön imaginierte Übersetzung der Mondoberfläche, von der wir wissen, dass sie gleich unserer Erde ein starkes (Gebirgs-)Relief aufweist. Ergänzend zu der großen Mondsichel sind in der Ausstellung weitere kreisrunde Wandobjekte zu sehen, die entweder in zwei Farbhälften geteilt sind und eine kleine Mondsichel oder einen kleinen Vollmond als ausgeschnittene Form beherbergen und damit den Blick zur Wand freigeben. Der skulpturale Charakter wird hier besonders ablesbar, da die Knautschung des Papieres – wir wissen ja, es ist durch die Abformung eine Kopie des Papiers in Epoxidharz – die Schnittkanten markant und messerscharf in ihrer physischen Präsenz auftreten lässt.

Das Bild wird so zu einem Schild, zu einem Zeichen von etwas, das sich unschwer durch die jahrtausendalte Besetzung lesen lässt. Ganz abstrakt wird es, wenn die große schwarze Rundscheibe mit drei gleichgroßen Kreisscheiben in einer Dreieckskonstellation durchstanzt ist und ihr ‚Restkörper‘ fast nur noch marginal wird, ohne aber ihre körperliche Präsenz zu verlieren. Die Mondscheibe könnte als schwarzes Smiley-Zeichen gelesen werden. Sicherlich nicht unbeabsichtigt, gibt es doch eine unbetitelte Serie von Werken des Künstlers, die ein Blatt DinA4-Papier zu einem Gesicht, zu einem Zeichen für ein Gesicht mutieren lässt. Hier wird die Epiphanie des Papiers besonders evident, ist es in der normierten Größe uns täglich vertraut und scheint von Kinderhand zu einem Gesichtszeichen gerissen. Erst beim Begreifen des Materials erkennen wir, dass dieses so profane Ding, ein hochkomplexes, gar trügerisches Sinnbild für die Realitäten ist, die wir meinen zu kennen.

Wenn Shachar auf vermeintlich gerissenem Papier den Schatten einer Person in einer akribischen Zeichentechnik mittels Graphitstift mit allen Details wie den Haarkonturen einzeichnet, wird es besonders trügerisch: Das Bild zeigt den Schatten als Repräsentant eines porträtierten Menschen auf dem Repräsentanten eines Stück Papiers!

Wenn wir alle Exponate Revue passieren lassen, stellen sich mannigfaltige Assoziationen ein. Der Junge wird zum Kleinen Prinzen, die runden Scheiben zum Himmelsgestirn. Der Galerieraum verwandelt sich zum Planetarium, zumindest vielleicht für den in sich versunkenen Eli.

Den Begriff Dead Flat, entlehnt dem Markennamen der für Gil Shachar neuen Acrylfarbe, mit der er die papierne Oberfläche durch seine haptische Stumpfheit suggerieren will, hat der Künstler zum Ausstellungstitel erkoren. Dead Flat meint aber auch die absolute Ebene und Planheit (eine Eigenschaft der Farbe, die sich an ihrer Oberfläche besonders glatt zieht). Setzt man diesen Begriff in Beziehung zu den Wandobjekten, so konterkariert er das, was man sieht. Das Papier ist nicht glatt, das Papier ist nicht Papier. Erst die Zerknitterung lässt uns an Papier denken.

Dead Flat ist aber auch der Null- und Hauptspann, jenes konstruktive Hauptelement im Schiffsbau zur Gewichtsreduktion, genauer gesagt im Metall- (früher Holz-)Schiffsbau, dessen metallene Haut um die darauf gründende Rippenkonstruktion verplankt wird.
Dead Flat könnte auch darauf hinweisen, dass jetzt eine Grundlage, der ‚Null- oder Hauptspann‘ für die weitere künstlerische Entwicklung geschaffen ist, von der der Künstler selbst noch nicht weiß, wie sich das darauf gründende Gerüst seines Schaffens ausformen wird.

Semjon H. N. Semjon,
April 2018

 

 

 

Paper Position Berlin

Parallel werden zum Gallery Weekend auf der paper positions berlin vom 26. bis 29. April weitere Werke ‚auf Papier‘ zu sehen sein.

THE WHALE CAST PROJECT
Gil Shachar wartet zur Zeit auf eine (traurige) Nachricht, dass in Südafrika wieder ein Wal an den Strand gespült wird. Er hat in jahrelangen Verhandlungen mit dem Umweltschutzministerium und den Naturparks erreichen können, dass er einen Wal abformen darf, der für sein bildhauerisches Projekt THE CAST WHALE Project geeignet erscheint.
Durch eine Crowdfunding-Aktion im letzten Jahr konnte er erfolgreich die benötigten Mittel einwerben (facebook – Gil Shachar).

  • Facebook
  • Instagram
  • Artsy
  • artatberlin
  • Artland